Der Schleichplatten

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Moby-Dick

Und am Ende noch eine echte Herausforderung: unser Wohnmobil hat einen Schleichplatten! Fast juble ich ob des unvorhergesehenen Abenteuers. Kein Skript, das diesen technischen Defekt hätte vorhersehen können, kein Reise- oder Arbeitsplan, welcher dieses Ereignis in unserem eng getakteten Arbeitspensum hätte einbauen können.

Dem Reifen hinten rechts geht einfach so die Luft aus, er hat uns nicht gefragt, und wir sind in keinster Weise darauf vorbereitet. An der nächsten Tankstelle blase ich den Pneu zunächst mit einem Kompressor auf die vorgesehenen 5,5bar auf, prüfe noch den Luftdruck der anderen Reifen und tanke sicherheitshalber auch gleich. Die KollegInnen nutzen die Zeit, um direkt hier an der Tankstelle ein paar Absätze aus Moby Dick in die Kamera zu sprechen.

Auf der Weiterfahrt jedoch wird deutlich, dass der Reifen sich weigert, die Luft zu halten – wie die digitale Bordkontrolle des Wagens drastisch bestätigt. Was also tun? Immer wieder auf der Strecke aufpumpen, bis wir hoffentlich irgendwann in Bad Aussee ankommen, oder den Reifen gleich wechseln? Bei der nächsten Raststätte krieche ich unter den Wagen (ich fühle mich ganz in meinem Element) und taste nach dem Reserverad, das uns die Verleihfirma freundlicherweise unter das Chassis geschraubt hat. Leider aber hat sie, wie ich sogleich herausfinde, vergessen uns auch die entsprechenden Werkzeuge beizulegen. Kein Wagenheber, kein Kreuzschlüssel weit und breit. Was mich nicht nur ärgert, weil ich das schlampig finde, sondern weil ich mich dieser Aufgabe gerne heroisch gestellt hätte.

So also muss der ÖAMTC her. Bis wir die richtige Nummer finden, jemanden dort erreichen, eine etwaige Mitgliedschaft diskutieren; bis der Pannendienst dann erscheint – es ist inzwischen sehr, sehr dunkel geworden auf dieser Raststätte – vergehen Stunden. Es wird also sehr spät werden heute, bis wir ankommen. Der Mann vom ÖAMTC ist zunächst etwas überrascht, eine trotz allem so gut gelaunte Horde von Seemännern und -frauen anzutreffen, als er aus seinem Pannenfahrzeug steigt.

öamtc in aktion

Aber er ist Profi. Selbst die Kamera, die mit aufgepflanztem Mikrofon und Lichtstrahler auf ihn gerichtet ist, als er den Reifen wechselt, kann ihm nichts anhaben. Wir sind beeindruckt ob der Genauigkeit seiner Handgriffe. Schnell hat er den Reifen von der Achse geholt, den Ersatzreifen aufgesetzt und festgeschraubt.

Und nun wollen wir wissen, was die Ursache für diesen Schaden war. Ein Nagel? Ein Stein? Unser Mann vom ÖAMTC schaut unschlüssig. Er greift zu einer Spraydose, besprüht damit großflächig das Reifengummi, und da schlagen uns auch schon Bläschen entgegen. Nicht aber aus dem Reifen, sondern aus der Felge! Die Felge hatte wohl die ganze Zeit einen Riss, ohne dass wir das bemerkt hätten. Da weht uns nun gegen Ende dieser Reise ein ganz anderer, etwas stürmischerer Wind entgegen – vielleicht war die Angelegenheit doch gefährlicher gewesen, als uns bewusst war? Unser Lachen weicht jedenfalls einer gewissen Nachdenklichkeit. (ps)

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